“Wissensarbeit hat für Unternehmen einen strategischen Stellenwert und wird auch entsprechend umgesetzt, darin ist sich die Mehrheit der Wissensarbeiter mit ihren Führungskräften einig. Bei konkreter Nachfrage stellt sich allerdings heraus, dass für die Hälfte aller Befragten die Wissensarbeit stark von Routineaufgaben überlagert wird.”
So der zentrale Befund eines aktuellen Research-Projektes von PAC und Hays zur Beurteilung der Wissensarbeit in Unternehmen. Im Kern verdeutlicht die Studie ein Problem, was ich auch in verschiedenen Gesprächen auf unseren und themen-verwandten Veranstaltungen gewonnen habe: Das Wissensmanagement kann sich als Disziplin und Funktion im Unternehmen nur schwer etablieren und nachhaltig manifestieren.
Dabei geht es aber oftmals gar nicht um die Anerkennung der Wichtigkeit und Bedeutung des Wirtschaftsfaktors “Wissen” für die Fortentwicklung des Unternehmen als vielmehr um die systematische Beschäftigung und dedizierte Organisation des Themas. Insbesondere die soziale Technologien unterwandern hierbei die Disziplin mit ihrer Vielzahl von systematischen Methodiken zur Wissenskodifizierung, Wissensexplizierung und Wissensselektion.
Was gestern noch als Ergebnis konkreter Wissensmanagement-Methodiken mit großem Brimborium gefeiert wurde, scheinen manche, gut funktionierende “Social Intranet”-Konzepte heute implizit mit sich zu bringen – die Förderung des Informations- und Wissensaustausch im Unternehmen, die beiläufige Dokumentation von Erkenntnissen und Veränderungen sowie das Aufdecken von Schwachstellen und Potentialen bei Strukturen und Prozessen.
Die Organisation wird damit zum soziotechnischen System – in dem sich die Organisation und seine Mitglieder – befähigt durch die technologische Plattform – scheinbar selbststeuernd weiterentwickelt. Dass das wiederum eine Idealvorstellung ist und die Herausforderungen hierbei im Detail der Einführung und Verhaltensanpassung liegt, ist klar – was ich aber damit sagen will, ist, dass dies nicht mehr zwangsläufig unter dem Titel einer “Wissensmanagement-Initiative” läuft (auch wenn ich die Wissensmanager einst noch als wichtigen Entwicklungshelfer für das E20 Spiel gesehen habe!). Daher stellt sich für mich einmal mehr die ketzerische Frage – hat die Disziplin des Wissensmanagement ausgedient?
Simon Dückert: Die Wissensmanagement-Praxis braucht eine Renaissance
Die Antwort auf die Frage ist natürlich NEIN – denn sicherlich braucht es auch in Zeiten von Enterprise 2.0 noch Methoden und Maßnahmen, um den Mitarbeitern die Relevanz ihres Wissens zu verdeutlichen und ihnen zu helfen, dieses Wissen mit Nutzwert für andere und die Organisation zu explizieren. Dennoch nehme ich in Gesprächen mit Vertretern der Wissensmanagement-Community (z.B. in Deutschland auf dem Knowledge Camp) immer wieder eine deutliche Skepsis war – da heißt es dann immer mal wieder, dass “Enterprise 2.0 ja nur alter Wein in neuen Schläuchen” sei und sowieso sei der Hype um soziale Technologien im Kontext des Wissensmanagement nicht nachzuvollziehen, weil man (sprich die Mitglieder der Wissensmanagement-Community) die Ziele der lernenden Organisation schon seit jeher verfolge. Auch sei der Zugang zum Thema über die technologischen Konzepte viel zu Technologie-getrieben.
Diese sicherlich hier nun ein wenig überzeichneten Meinungen im Hinterkopf waren dann auch Ausgangspunkt um Simon Dückert, Geschäftsführer von Cogneon und Beiratsvorsitzender der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V., sowohl als Vortragenden zum IOM SUMMIT einzuladen als auch mit ihm im Vorfeld der Veranstaltung ein kurzes zu machen. In dem Gespräch haben wir die aktuellen Entwicklungen im Wissensmanagement-Umfeld reflektiert. Dabei sind einige sehr interessante Punkte zur Einschätzung der Wissensmanagement-Praxis, der Bedeutung von sozialen Technologien wie auch der Entwicklung der Rolle des Wissensmanagers raus gekommen:
- Die Wissensmanagement-Praxis braucht eine Renaissance um den Anforderungen der Wissensgesellschaft gerecht zu werden – die Idee der lernenden Organisation stellt dabei einen neuen Ansatz für das Thema, der es stärker in den Mittelpunkt der Wertschöpfung stellt.
- Soziale Technologien/Werkzeugen funktionieren als “Enabler” des neuen Ansatzes! Denn soziale Technologien funktionieren nur, wenn die darin verankerten Prinzipien wie Offenheit und Flexibilität gelebt werden; die Prinzipien sind auch die Werte, die es für eine lebendige Wissensmanagement-Praxis braucht.
- Ferner bilden die sozialen Netzwerke über das Prinzipt der systemimmanenten Interaktionsmechanismen das organisationale Netzwerk und seine Wissensknoten beiläufig ab – ohne dass dafür explizite Maßnahmen notwendig sind.
- Dennoch bleibt die Herausforderung, ob dieses Potential durch das Unternehmen genutzt/realisiert wird.
- Die Rolle des Wissensmanager setzt in diesem neuen Spiel an vier Punkten an – 1) Rolle als Organisationsentwickler, 2) Rolle als strategischer Wissensressourcen-Manager, 3) Rolle als Methoden-Fachmann für die Wissensexplikation/codifikation, Community- & Adoption-Manager etc und 4) Rolle als Skill/Kompetenz-Befähigungsmanager
- Neue Kompetenzen für den Wissensmanager: strategische Fähigkeit des systemischen Denkens, kommunikative Fähigkeit WM als Hilfsmittel zu positionieren und operative Kompetenzen für das Adoptions-/Community-Management
- Fazit: das Themenfeld kann gar nicht von einer Person alleine abgedeckt werden!
Insgesamt bleibt die Diskussion über die Rolle des Wissensmanager sicherlich spannend. Beim IOM SUMMIT haben wir eine einige Wissensmanager sowohl als Referenten wie auch Teilnehmer dabei – mit denen wir das Thema weiter diskutieren wollen.
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